Marc Allgaier Art Design
„Marc Allgaier zeigt ein Gespür für die Thematik des Wandels. Sei es der stetige Ansporn der Technik nach Fortschritt oder auch der globalen Veränderung des Klimas. Der Stuttgarter Künstler beschäftigt sich damit in verschiedenen Medien von Grafik über Fotografie und Collage bis zur Malerei. Er selbst sieht seine Arbeit als Suche nach neuen Lösungen. […]“
Marc Allgaier stellt aktuell im Schlössle in Oberlenningen aus. Seine Werke thematisieren Risiken und Chancen des globalen Wandels. – Teckbote 11. September 2023
Wer seine Kunstausstellung „Natürliche Umgebung“ betitelt, liefert nicht nur Ironie, sondern eine Menge Denkanstöße mit. Im Falle von Marc Allgaier kommt solche Mehrschichtigkeit nicht von ungefähr. Er stammt aus Lenningen, ist gelernter Grafikdesigner und hat Kommunikationsgestaltung studiert. Der Umgang mit traditionellen und neuen Medien gehört zu seinem Handwerk. Ebenso die Reflektion gesellschaftlich brisanter Themen wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Die ästhetische Vielfalt des Papiers führt Allgaier mit einer begehbaren Installation vor Augen. Massivität und Leichte des Materials beeindrucken beim Gang durch das höhlenartige Gebilde ebenso wie sein statisches Vermögen, das dem Papier zu architektonischer Qualität verhilft. Die einst revolutionäre Schwelle zwischen analog und digital hebeln Allgaiers Werke gekonnt aus. Am Computer entstandene Collagen finden sich als gerahmte Exponate hinter Glas wieder. Die tradierte Haltung, analoger Präsenz einen höheren Grad an Wirklichkeit zuzusprechen, unterlaufen Allgaiers Artefakte souverän. Zugleich stellen sie jene Form globalen Wandels aus, den der Künstler als „neue Technik“ betrachtet: „Die alte Technik wird jeden Moment von der Zeit überholt“ , erläutert er. Die ständig laufende Suche nach neuen Lösungen sieht Allgai-er als zielgerichtetes, gleichwohl ergebnisoffenes Unterfangen: „Relevant ist nur die ständige Veränderung, das Aufzeigen neuer Möglichkeiten“, betont er.
Allgaiers rastlos voranschreitende „neue Technik“ bedient sich überkommener Versatzstücke und arrangiert diese neu. In Claude Lévi-Strauss‘ Konzept der „bricolage“ hat sie ein prominentes Vorbild. Auch Tiere spielen in Allgaiers motivischem Kosmos eine wichtige Rolle. Malerisch in Szene gesetzt als unschuldige Lebewesen, die ihrer natürlichen Umgebung entrissen wurden. Tierisches Personal findet sich in einem Milieu wieder, das Selbstverleugnung fordert und zu unbedingter Anpassung nötigt. Für Allgaier auch eine Diagnose menschlicher Zustände: „Beim Betrachten spiegeln wir uns selbst im Tier“, sagt er. Doch bleibt seine Kunst nicht bei pessimistischer Bestandsaufnahme stehen. In der ästhetischen Reflektion sieht er die Chance, Bewusstsein für menschliches Handeln und dessen weltweite Folgen zu schärfen. Fraglos ist es gehaltvolle Kost, die Allgaier auftischt. Dennoch erdrücken die Bilder nicht mit der Last ihrer Fragen. Vielmehr imponiert ihre Leichtigkeit im Wechsel von Material und Technik. Korrespondiert in Allgaiers Malerei figurative Prägnanz mit skizzenhaft geworfenen Gesten, bannen seine Collagen den Blick mit Detailfülle und perspektivischer Raffinesse. „Die neue Technik schreibt auf ihrer Suche zugleich ihre eigene Geschichte“, so der Künstler. Gelegenheit, diesem Prozess nachzuspüren, besteht in der Lenninger Gemeindebücherei bis einschließlich Samstag, 7. Oktober. Marc Allgaiers Installation im Museum für Papier- und Buchkunst ist noch bis Sonntag, 25. Februar 2024 zu begehen.
Collagenvideos,
Marc Allgaier,
2022
Das Tier als neutrales und unschuldiges Lebewesen, seiner natürlichen Umgebung entrissen. Entfremdetes Verhalten um zu Überleben. Aus Verwirrung und Selbstauflösung ein Gefühl des Fallens. Den Boden den Füßen entrissen. Aufgerührt, hektisch, ohne Zeit zum Innehalten. Großer Druck und die Gefahr jeder Zeit überrollt zu werden. Ein krampfhaftes Festhalten. Eingeengt in einem für Ihn vorgegebenen Format. Fallen, festhalten, aufbrechen. Es zehrt alle Kraft aus Ihm. Raus hier, aber wie? Angepasst an die Situation wirken die Früchte toxisch und schwer. Der Mensch als Tier. Akteur im Käfig der Kunst.
Oder das Tier als Mensch. Das Tier genutzt um Leichtigkeit in schwere Themen zu bringen. Zoo – Käfig – Subjekte – objektiviert – Wir spiegeln uns selbst im Tier beim Betrachten – wenn wir zum Tier werden, bleiben wir dann nicht doch nur wir selbst – Verdrängt aus seinem Lebensraum – Über unser Handeln und die Folgen in der Welt bewusst sein – Beim Betrachten der Tiere lernen wir mehr über uns Selbst als über die Tiere. Mittel zum Zweck.
Die neue Technik ist die Kunst des Wandels. Die Suche nach neuen Lösungen. Ein Versuch mit offenem Ausgang und dennoch mit Ziel. Die alte Technik, die gezwungenermaßen enden muss, wird jeden Moment von der Zeit überholt. In Gedanken verzerrt setzt die neue Technik alte Teile neu zusammen. Könnten die erarbeiteten Ergebnisse die Lösung bedeuten? Oder worin besteht der Sinn? Durch die ständige Überarbeitung wirft sie die Frage nach der Perfektion in den Raum. Schafft sie es, sich aus der Kurzsicht der Mittelmäßigkeit herauszuarbeiten?
Es sind Zwischenergebnisse auf dem Weg zum Ziel, die sich aber selbst als alleinstehendes Ergebnis genügen. Wird die Technik zu einem universellen Gesamtverständnis führen, oder verrennt sie sich in unzählige, nur für sich selbst arbeitende Zellen? Sie möchte nicht urteilen. Sie ist einfach da. Sie agiert und wird ständig neue Techniken hervorbringen. Relevanz ist für sie nicht relevant. Relevant ist nur die ständige Veränderung, das Aufzeigen neuer Techniken und Möglichkeiten. Die neue Technik schreibt auf ihrer Suche zugleich ihre eigene Geschichte.
Das Leben in einer Form des Aufbaus, der Konstruktion. Fortbewegend und zerrissen. Sich windet um ein kosmisches Gestänge. Offensichtliches und Unterbewusstes vermischen sich und bilden neue Stränge aus.
Teile kommen hinzu, Teile gehen verloren. Alles ist stetig im Wandel. Doch es hinterlässt Spuren. Es nimmt Form an.
Der Fleischwolf steht symbolhaft für ein entfremdetes Objekt, das zunehmend unser Leben, insbesondere die Funktionsweise unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt, verkörpert. Eine Funktionsweise, die Mensch, Tier und Natur in sich verschlingt, zerstückelt und eine Ansammlung an unidentifizierbarer Substanz zurücklässt. Eine gedankenlose zermürbende Maschine. Angetrieben wodurch?
Der Pinguin fühlt sich beim jährlichen Treffen der Arktistiere in die Ecke gedrängt. Sein Vortrag „von Krise zu Krise“ stieß auf wenig Begeisterung. So gab es dieses Jahr wieder keinen weißen Sommer. Mit feinfühligen Flossen zeigte er zudem auf, wie die bereits überfischten Meere nun zu allem Überdruss auch noch mit Einwegmasken überschwemmt werden. Doch der Pinguin steht ganz unten in der Nahrungskette. Heute verhungert man morgen. Somit fand seine scharfsinnige Wahrsagung kein Gehör und die Dinge gehen weiter wie bisher.
© 2021 by Marc Allgaier